Rezeptpflicht: Wann sind Medikamente verschreibungspflichtig?

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Mit insgesamt über 160.000 Apotheken hat Europa eines der dichtesten Versorgungsnetze für Medikamente. Patienten wenden sich häufig zuerst an den Apotheker, wenn sie ein Arzneimittel benötigen. Doch die Rezeptpflicht setzt der Abgabe von Arzneimitteln enge Grenzen.

Die Rezeptpflicht reguliert die Abgabe von Medikamenten an Patienten

Umgangssprachlich reden viele vom Rezeptpflichtgesetz, wie es etwa in Österreich offiziell heißt. Doch egal, ob man Rezeptpflicht oder Verschreibungspflicht sagt, es ist immer dasselbe gemeint, nämlich die Abgabe von Medikamenten, für die eine ärztliche bzw. zahnärztliche Verordnung vorliegen muss. Kompliziert wird es dadurch, weil innerhalb der EU nicht einheitlich geregelt ist, welche Arzneimittel verschreibungspflichtig sind und welche nicht.

Ein Präparat, das man in Frankreich OTC (= over the counter, also ohne Rezept) bekommt, kann in Deutschland der Rezeptpflicht unterliegen und umgekehrt. In Deutschland heißt das Rezeptpflichtgesetz ganz einfach Arzneimittelgesetz und regelt in § 48 spezifisch die Verschreibungspflicht.

Generell wird zwischen drei Arten von Arzneimitteln unterschieden:

  • frei verkäufliche Medikamente (z. B. im Drogeriemarkt erhältlich)
  • apothekenpflichtige Arzneimittel (nur in der Apotheke erhältlich, aber unterliegen nicht der Rezeptpflicht)
  • verschreibungspflichtige Medikamente (unterliegen der Rezeptpflicht)

Sinn der Gesetzgebung ist der Schutz der Patienten im Sinne einer sicheren Anwendung der Arzneimittel. Festgelegt wird die Frage, ob ein Medikament der Rezeptpflicht unterliegt oder nicht, in Deutschland von einem Sachverständigenausschuss des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte. Dieser Ausschuss besteht aus Ärzten, Pharmazeuten, Wissenschaftlern und Heilpraktikern. Sie legen für jedes Präparat fest, in welche der obigen drei Kategorien es eingestuft werden soll.

Die endgültige Entscheidung liegt dann beim Bundesgesundheitsministerium, das der Empfehlung folgen kann, aber nicht muss. In anderen EU-Ländern wird dies teilweise ganz anders gehandhabt, da eine einheitliche Festlegung fehlt, unter welchen Bedingungen bestimmte Wirkstoffe verschreibungspflichtig sind und wann nicht. Es existiert zwar der Kodex für Humanarzneimittel, der in der EU-Richtlinie 2001783/EU definiert wurde, doch enthält dieser nur grundlegende Kriterien und keine konkreten Handlungsanweisungen.

Jeder EU-Mitgliedsstaat entscheidet also selbst, welcher Abgaberegelung ein Wirkstoff unterliegt. In der Regel werden neu auf dem Markt erhältliche Medikamente der Rezeptpflicht unterstellt, um sicherzustellen, dass sie zunächst nur unter ärztlicher Kontrolle eingesetzt werden. Oftmals wird die Anwendung jedoch nach einiger Zeit als so sicher eingestuft, dass die Verschreibungspflicht beendet wird. Dieser Vorgang wird in Fachkreisen als Switch bezeichnet.

Oftmals herrscht bei Patienten Verwirrung über die Begriffe Rezeptpflicht und Apothekenpflicht. Letzterer besagt, dass die Medikamente generell ohne Rezept verkauft werden dürfen, aber nur in Apotheken erhältlich sind.

Oftmals herrscht bei Patienten Verwirrung über die Begriffe Rezeptpflicht und Apothekenpflicht. Letzterer besagt, dass die Medikamente generell ohne Rezept verkauft werden dürfen, aber nur in Apotheken erhältlich sind.(#01)

Was unterscheidet Rezeptpflicht von Apothekenpflicht?

Oftmals herrscht bei Patienten Verwirrung über die Begriffe Rezeptpflicht und Apothekenpflicht. Letzterer besagt, dass die Medikamente generell ohne Rezept verkauft werden dürfen, aber nur in Apotheken erhältlich sind. Dies ist beispielsweise der Fall bei leichten Schmerzmitteln wie ASS oder Paracetamol. In Apotheken erkennt man übrigens sofort, zu welcher Kategorie die Medikamente gehören.

Alle frei verkäuflichen Produkte sind für den Kunden direkt zugänglich (also in Regalen oder Verkaufsständern); er kann sich selbst bedienen und eine beliebige Abgabemenge einkaufen. Apothekenpflichtige Arzneimittel befinden sich außerhalb des direkten Zugriffs der Kunden, also etwa hinter dem Verkaufstresen, sind aber für jeden sichtbar und werden auch gegebenenfalls beworben. Medikamente, die der Verschreibungspflicht unterliegen, sind im abgeschirmten Bereich der Apotheke, zu denen der Kunde keinen Zutritt hat.

Sie befinden sich entweder in den Schubladen der Apothekerschränke oder im Lager der Apotheke. Sie dürfen nicht ohne Rezept abgegeben werden. Einzige Ausnahme: Kann der Kunde kein Rezept vorweisen, darf der Apotheker ausnahmsweise das Präparat abgeben, wenn er sich zuvor beim behandelnden Arzt rückversichert hat (z. B. per Telefon). Rückfragen bei anderen Ärzten sind hingegen unzulässig.

Apotheker, die gegen diese Auflage verstoßen, etwa weil sie einem Patienten, der seit Jahren das gleiche Medikament bekommt, auch ohne Rezept aushelfen (z. B. während des Urlaubs des Hausarztes), gehen ein erhebliches rechtliches Risiko ein. Der Bundesgerichtshof hat dies in einem Revisionsverfahren klargestellt, nachdem das Oberlandesgericht Stuttgart eine entsprechende Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben hatte.

Zu den frei verkäuflichen Arzneimitteln, die man in der Drogerie oder auch im Supermarkt findet und die somit nicht apothekenpflichtig sind, zählen alle Produkte, die nicht dazu geeignet sind, „schwerwiegende Krankheiten zu heilen“.

Zu den frei verkäuflichen Arzneimitteln, die man in der Drogerie oder auch im Supermarkt findet und die somit nicht apothekenpflichtig sind, zählen alle Produkte, die nicht dazu geeignet sind, „schwerwiegende Krankheiten zu heilen“.(#02)

Welche Medikamente sind ohne Rezeptpflicht frei verkäuflich?

Zu den frei verkäuflichen Arzneimitteln, die man in der Drogerie oder auch im Supermarkt findet und die somit nicht apothekenpflichtig sind, zählen alle Produkte, die nicht dazu geeignet sind, „schwerwiegende Krankheiten zu heilen“. Der Nutzen solcher Präparate ist häufig zweifelhaft.

Hierzu zählen beispielsweise:

  • Nahrungsergänzungsmittel (Vitamintabletten, Säfte etc.)
  • Tees (z. B. Nierentee, Erkältungstee etc.)
  • Heilerde
  • Erkältungsbäder oder andere Zusätze
  • Insektenschutzmittel (Salben, Sprühflaschen etc.)
  • Erkältungsmittel (z. B. bestimmte Nasensprays)
  • bestimmte Hustensäfte
  • Salben und Gels für Wundheilung etc.
  • leichte Mittel gegen Schlafstörungen
  • Wärmepflaster, Kalt-/Heißkompressen etc.

Der Vorteil solcher frei verkäuflicher Produkte für den Patienten ist, dass er oftmals im Vergleich zum Kauf in der Apotheke viel Geld sparen kann.

Kritisiert wird von stationären Apothekern, dass die Beratung und Aufklärung bei der Abgabe durch Online-Apotheken oft zu kurz kommt.

Kritisiert wird von stationären Apothekern, dass die Beratung und Aufklärung bei der Abgabe durch Online-Apotheken oft zu kurz kommt.(#03)

Apothekenpflichtige Mittel unterliegen nicht der Rezeptpflicht

Medikamente, die durchaus eine nachgewiesene pharmazeutische Wirkung haben und bei denen eine Aufklärung und Beratung durch den Apotheker über Nebenwirkungen und Anwendung ausreicht, werden oft von der Rezeptpflicht befreit und sind apothekenpflichtig. Solche Medikamente dürfen laut Gesundheitsministerium nur ein „vertretbares oder bekanntes“ Ausmaß an Nebenwirkungen aufweisen.

Schmerzmittel wie Ibuprofen oder Paracetamol gehören zu den am häufigsten verkauften apothekenpflichtigen Mitteln. Auch hier lohnt sich ein Preisvergleich, denn es gibt verschiedene Hersteller und Preise. Da die Apotheken den Abgabepreis oft selbst bestimmen können, schneiden Online-Apotheken bei diesen Präparaten oft besser ab. Trotzdem kann es aber Einschränkungen bei der Abgabe solcher Medikamente geben. So ist die Abgabemenge etwa bei Paracetamol aufgrund der potenziell schädlichen Auswirkungen auf die Leber bei längerer oder höher dosierter Anwendung begrenzt.

Kritisiert wird von stationären Apothekern, dass die Beratung und Aufklärung bei der Abgabe durch Online-Apotheken oft zu kurz kommt. Obwohl die Anbieter eine Beratung (z. B. per Telefon oder Chat) anbieten müssen, verzichteten viele Patienten darauf, wenn sie online Medikamente einkaufen, so die Kritik. Tatsächlich setzt das Arzneimittelgesetz bestimmte Grenzen.

So war der Versuch eines Online-Anbieters, einen Medikamenten-Automaten einzusetzen, bei dem Kunden nach Bestellung im Internet ihre Arzneimittel selbstständig in Empfang nehmen konnten, laut Ansicht des Landgerichts Mosbach (Az.: 4 O 35/17) ein Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz.

Oftmals glauben Patienten, dass die Rezeptpflicht gleichzusetzen ist mit der Übernahme der Kosten durch die gesetzliche Krankenversicherung. Das ist jedoch nur der Fall, wenn das Medikament auf einem roten Rezept ausgestellt wird.

Oftmals glauben Patienten, dass die Rezeptpflicht gleichzusetzen ist mit der Übernahme der Kosten durch die gesetzliche Krankenversicherung. Das ist jedoch nur der Fall, wenn das Medikament auf einem roten Rezept ausgestellt wird.(#04)

Rezeptpflicht bedeutet nicht automatisch Übernahme der Kosten durch die GKV

Oftmals glauben Patienten, dass die Rezeptpflicht gleichzusetzen ist mit der Übernahme der Kosten durch die gesetzliche Krankenversicherung. Das ist jedoch nur der Fall, wenn das Medikament auf einem roten Rezept ausgestellt wird. Stellt der Arzt ein grünes oder blaues Rezept aus, muss der Patient die Kosten selbst tragen (ggf. können solche Rezepte durch private Krankenversicherungen erstattet werden).

Gelbe Rezepte sind für Betäubungsmittel vorgesehen, die nur unter bestimmten Voraussetzungen verordnet werden dürfen und ein hohes Missbrauchspotenzial besitzen (z. B. Opiate). Sie werden allerdings in der Regel auch von der Krankenkasse bezahlt. Bestimmte Medikamente wie etwa das Potenzmittel Viagra werden beispielsweise auf Wunsch vom Arzt verschrieben, die Kosten dafür werden von der Krankenkasse aber nur im Ausnahmefall übernommen. Trotzdem unterliegt der Wirkstoff der Rezeptpflicht, man kann dieses Medikament also nicht ohne ärztliche Verordnung in der Apotheke kaufen.

Manchmal werden solche Arzneimittel illegal im Internet angeboten – wobei sie häufig aus dubiosen Quellen stammen. Hier ist nicht klar, ob es sich um gefälschte Medikamente oder um echte Arzneimittel handelt, die illegal abgegeben werden. In jedem Fall sollte man auf solche Lieferungen verzichten, da es neben den gesundheitlichen Risiken zu zollrechtlichen Problemen führt, derartige Mittel zu importieren. Der Bundesgerichtshof hat sich 2016 mit dieser Thematik im Rahmen eines Betrugsvorwurfs befasst (BGH 5 StR 516/15).

Mit der Rezeptpflicht stellt der Gesetzgeber sicher, dass bestimmte Wirkstoffe bzw. Präparate nur unter ärztlicher Aufsicht angewendet werden.

Mit der Rezeptpflicht stellt der Gesetzgeber sicher, dass bestimmte Wirkstoffe bzw. Präparate nur unter ärztlicher Aufsicht angewendet werden.(#05)

Fazit: Die Rezeptpflicht soll die Patienten schützen

Mit der Rezeptpflicht stellt der Gesetzgeber sicher, dass bestimmte Wirkstoffe bzw. Präparate nur unter ärztlicher Aufsicht angewendet werden. Im Gegensatz zur Selbstmedikation (beim Kauf frei verkäuflicher oder apothekenpflichtiger Mittel) soll dies die Gefahr von Gesundheitsschäden durch falsche Dosierung und/oder falsche Wirkstoffe für den Patienten reduzieren. Nicht zuletzt soll auch dem Missbrauch von Medikamenten vorgebeugt werden. Die Abgabe durch Apotheken ist streng reguliert und in Deutschland durch apothekenpflichtige und frei verkäufliche Medizinprodukte ergänzt worden.

In anderen EU-Ländern sind die Regeln oft deutlich entspannter und manches Arzneimittel, das hierzulande der Rezeptpflicht unterliegt, bekommt man dort OTC – also over the counter. Eine Besonderheit ist zudem, dass in einigen Ländern Angehörige anderer Heilberufe (z. B. Krankenschwestern, Apotheker) neben den Ärzten zur Verordnung bestimmter Medikamente berechtigt sind. Kritiker der strengen Rezeptpflicht führen außerdem an, dass die Preisgestaltung durch die Pharmaunternehmen intransparent ist und Krankenkassen häufig mit zu hohen Kosten belastet werden.

Verstöße gegen das Rezeptpflichtgesetz, wie es etwa in Österreich heißt, haben in Deutschland gravierende Folgen für Apotheker und Ärzte. Für Patienten bedeutet die Rezeptpflicht zwar häufig viel Lauferei zwischen Arzt und Apotheke, doch was Dosierung, Nebenwirkungen und Anwendungshinweise betrifft, ist man in Deutschland zumindest theoretisch gut abgesichert. In der Praxis stellen fehlende Beratung in der Apotheke oder Arztpraxis ebenso ein Problem dar wie bei Online-Apotheken.


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