Banken machen oft Fehler bei der Vorfälligkeitsentschädigung

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Wer einen Kredit vorzeitig kündigt, schuldet dem Kreditgeber in der Regel eine Vorfälligkeitsentschädigung. Schließlich entgehen der Bank Zinsen für den Zeitraum der restlichen Laufzeit. Allerdings gibt es Ausnahmen – und oft wird die Summe falsch berechnet.

Teure Altverträge wird man ohne Vorfälligkeitsentschädigung nicht so einfach los

Ein Haus zu bauen, ist für die meisten Menschen in Deutschland nur mit einem Kredit möglich. Diese Kredite laufen in der Regel über viele Jahre hinweg. Wie besonders in den turbulenten Zeiten seit der Finanzkrise deutlich wurde, können sich die Konditionen für Kredite aber stark verändern. Wer beispielsweise 2007 einen Kredit aufgenommen hat, zahlt deutlich mehr Zinsen als jemand, der während der Niedrigzinsphase die gleiche Kreditsumme bei einer Bank in Anspruch nimmt. Es ist verständlich, dass Kreditnehmer ihre Belastung reduzieren und ihre Hypothekendarlehen umwandeln möchten: Weg mit dem Altvertrag und her mit einem neuen, günstigeren Kredit.

Generell haben die Kreditgeber in einem solchen Falle Anspruch auf die sogenannte Vorfälligkeitsentschädigung. Damit soll der entgangene Gewinn kompensiert werden, der durch den regulär laufenden Vertrag und die zu zahlenden Zinsen angefallen wäre. Nicht umsonst gilt die Zinsbindung für beide Seiten. Ist die Differenz zwischen dem vertraglich festgelegten Zinssatz und dem aktuellen Zinsniveau besonders groß, kann eine solche Entschädigung ziemlich hoch ausfallen – fünfstellige Summen sind bei durchschnittlichen Hypothekendarlehen dann keine Ausnahme. Dennoch gibt es unter Umständen Möglichkeiten, die Vorfälligkeitsentschädigung zu umgehen oder zumindest viel Geld zu sparen, wenn man aus dem alten Vertrag herauskommen möchte.

Video: 10 Fragen 10 Antworten – Kreditkündigung durch die Bank – Welche Möglichkeiten haben Bankkunden

Ausnahme: Sonderkündigungsrecht nach zehn Jahren

An erster Stelle steht das Sonderkündigungsrecht, das der Kreditnehmer (im Gegensatz zum Kreditgeber) nach einer Laufzeit von zehn Jahren hat. Dann kann er unabhängig von der Zinsbindung mit einer sechsmonatigen Kündigungsfrist den Kreditvertrag auflösen. Dies muss schriftlich erfolgen und hat natürlich auch zur Folge, dass die verbleibende Restschuld auf einmal fällig wird – binnen zwei Wochen nach Vertragsende.

Um diese Rückzahlung leisten zu können, kann man beispielsweise bei einem anderen Kreditgeber einen Kredit aufnehmen, dessen Zinsen deutlich niedriger sind als die im Altvertrag festgeschriebenen Sätze. Durch dieses gesetzlich festgelegte Sonderkündigungsrecht hat die Bank keinen Anspruch auf eine Vorfälligkeitsentschädigung. Verlangt das Kreditinstitut dennoch eine Entschädigung, sollte man dies auf keinen Fall hinnehmen und notfalls dagegen klagen. Das gilt auch dann, wenn man unter den Voraussetzungen des Sonderkündigungsrechts schon länger zurückliegend den Vertrag gekündigt und bereits eine Vorfälligkeitsentschädigung geleistet hat.

Keine Vorfälligkeitsentschädigung bei Kündigung der Bank wegen Zahlungsverzug

Kündigt die Bank das Darlehen, weil der Darlehensnehmer in Verzug mit den Ratenzahlungen gerät, gibt es ebenfalls keine Vorfälligkeitsentschädigung. Das hat der Bundesgerichtshof in einem Urteil vom 19.01.2016 (Az.: XI ZR 103/15) entschieden. Unter Berufung auf $ 497 Abs. 1 BGB (Fassung bis 10. Juni 2010) entschieden die Bundesrichter, dass in Fällen, in denen der Kreditnehmer durch Nichtzahlung der Raten vertragsbrüchig wird, lediglich der gesetzliche Verzugszins geltend gemacht werden kann. Bei Konsumentendarlehen beträgt dieser Zins 5 Prozentpunkte über dem aktuellen Basiszins, bei Immobiliendarlehen 2,5 Prozentpunkte.

Manche Juristen kritisieren dieses Urteil, weil es den vertragsbrüchigen Darlehensnehmer offenbar besserstellt als einen vertragstreuen Kunden, der etwa von einem außerordentlichen Kündigungsrecht Gebrauch macht und die Vorfälligkeitsentschädigung zahlen muss. Allerdings führten die Bundesrichter zu dieser Kritik aus, dass § 497 Abs. 1 BGB eine spezifische Regelung zur Berechnung eines Schadens sogenannter notleidender Kredite sei, die vom Kreditgeber aufgrund des Zahlungsverzugs gekündigt werden.

Der Gesetzgeber habe ausschließen wollen, dass nach einer erfolgten Kündigung der im Vertrag vereinbarte Zinssatz zur Schadensberechnung herangezogen werde. Außerdem ziele das Gesetz darauf ab, die Berechnung zu vereinfachen – für die Vorfälligkeitsentschädigung ist hingegen ein komplizierter Berechnungsprozess erforderlich. Eine solche Entschädigung sehen die Richter nur dann als gerechtfertigt an, wenn der Kreditnehmer das Darlehen außerordentlich kündigt.

Für den Verbraucher bedeutet das also: Verlangt die Bank nach einer Kreditkündigung wegen Zahlungsverzug eine Vorfälligkeitsentschädigung, kann diese verweigert bzw. unter Beachtung eventueller Verjährungszeiträume auch zurückgefordert werden.

Die Vorfälligkeitsentschädigung wird – sofern sie rechtens ist – nach vielen verschiedenen Faktoren berechnet.

Die Vorfälligkeitsentschädigung wird – sofern sie rechtens ist – nach vielen verschiedenen Faktoren berechnet.(#01)

Komplizierte Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung

Die Vorfälligkeitsentschädigung wird – sofern sie rechtens ist – nach vielen verschiedenen Faktoren berechnet. Hierbei kommt es regelmäßig zu Fehlern durch die Bank, weil falsche Berechnungsgrundlagen oder -zeiträume zugrunde gelegt werden. Es ist also wichtig, dass der Darlehensnehmer immer sorgfältig darauf achtet, ob die Vorfälligkeitsentschädigung korrekt berechnet wurde. Bestehen Zweifel, kann man sich an die örtlichen Verbraucherverbände wenden.

Gegen eine geringe Gebühr überprüft man hier, ob Berechnungsfehler vorliegen. Das kann sich lohnen, denn etwaige Fehler können mit sehr hohen Summen zu Buche schlagen. Übrigens lohnt sich das unter Umständen auch dann noch, wenn die Vorfälligkeitsentschädigung schon vor einiger Zeit gezahlt wurde. Rückforderungen sind (unter Berücksichtigung der Verjährungsfristen) generell möglich. Doch klären wir einmal, was überhaupt zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung herangezogen wird.

Wichtige Faktoren sind:

  • Summe der entgangenen Zinszahlungen
  • möglicher Zinsgewinn durch Wiederanlage des zurückgezahlten Kreditbetrags
  • etwaige im Vertrag vereinbarte Sondertilgungsrechte
  • eingesparte Verwaltungskosten
  • weggefallenes Darlehensrisiko
Während die Summe der entgangenen Zinszahlungen generell die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung definiert, sind die restlichen Faktoren gegebenenfalls von der Entschädigungssumme abzuziehen, denn sie stellen Vorteile dar, die die Bank gebührend berücksichtigen muss. (#02)Während die Summe der entgangenen Zinszahlungen generell die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung definiert, sind die restlichen Faktoren gegebenenfalls von der Entschädigungssumme abzuziehen, denn sie stellen Vorteile dar, die die Bank gebührend berücksichtigen muss. (#02)

Während die Summe der entgangenen Zinszahlungen generell die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung definiert, sind die restlichen Faktoren gegebenenfalls von der Entschädigungssumme abzuziehen, denn sie stellen Vorteile dar, die die Bank gebührend berücksichtigen muss. (#02)

Verschiedene Faktoren mindern die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung

Während die Summe der entgangenen Zinszahlungen generell die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung definiert, sind die restlichen Faktoren gegebenenfalls von der Entschädigungssumme abzuziehen, denn sie stellen Vorteile dar, die die Bank gebührend berücksichtigen muss. Wichtig auch: Bei der Summe der Zinszahlungen dürfen nur die entgangenen Zinsen berücksichtigt werden, die bis zum Ablauf von zehn Jahren und sechs Monaten angefallen wären. Darüber hinaus gehende Berechnungen sind nicht zulässig, da der Kunde dann ohnehin den Vertrag gemäß des Sonderkündigungsrechts hätte beenden können.

Das frühzeitig zurückgezahlte Geld kann von der Bank natürlich neu investiert werden. Dieser mögliche Zinsgewinn durch Wiederanlage muss ebenfalls von der Vorfälligkeitsentschädigung abgezogen werden. Maßgeblich sind hierfür die aktuellen Zinsen für Hypothekenpfandbriefe in der Kapitalmarktstatistik der Deutschen Bundesbank. Das urteilte der Bundesgerichtshof schon vor Jahren (Az.: XI ZR 285/03). Je mehr Zinsen die Bank also für aktuelle Pfandbriefe bekommen würde, desto geringer ihr Zinsschaden durch den vorzeitig beendeten Vertrag.

Fiktive Sondertilgungen müssen abgezogen werden

Beim Abschluss von Kreditverträgen werden häufig sogenannte Sondertilgungsrechte festgelegt. Steht ein solches Recht im Vertrag, muss der Darlehensgeber dies bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung so berücksichtigen, als ob der Darlehensnehmer alle Möglichkeiten zur Sondertilgung in der verbleibenden Kreditlaufzeit ausgenutzt hätte. Weiterhin nicht geltend machen können Banken die jährlichen Verwaltungskosten, die für die Restlaufzeit angefallen wären.

Zu guter Letzt muss die in den Krediten unterschiedlich eingepreiste Berechnung des Darlehensrisikos abgezogen werden, da dieses Risiko natürlich ebenfalls wegfällt. Maßgeblich für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung ist übrigens der Tag, an dem die Kreditsumme tatsächlich an die Bank zurückgeht und erneut angelegt werden kann – nicht etwa der Tag der Kündigung, wie oft fälschlich angenommen wird. Rechtens ist die Erhebung einer Bearbeitungsgebühr für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung durch die Bank. Dabei muss man je nach Aufwand und Kreditinstitut einige hundert Euro einkalkulieren.

Video: 10 Fragen – 10 Antworten – Vorfälligkeitsentschädigung bei der Kreditablösung

Der Joker mit dem Widerrufsrecht

Speziell Verträge, die zwischen 2002 und 2010 abgeschlossen wurden, enthalten häufig fehlerhafte Widerrufsbelehrungen. Obwohl das eigentliche Widerrufsrecht nur 14 Tage beträgt, kann bei missverständlichen Formulierungen bei der Widerrufsbelehrung der sogenannte Widerrufs-Joker greifen. Der Vertrag kann dann problemlos und ohne Vorfälligkeitsentschädigung widerrufen werden. Allerdings hat die Bundesregierung dieser Praxis inzwischen einen Riegel vorgeschoben – das „ewige Widerrufsrecht“ lief zum 21. Juni 2016 aus. Verträge, deren Widerrufsbelehrung danach unwirksam ist, können dann nur noch ein Jahr und 14 Tage ab Vertragsschluss widerrufen werden.

Fazit: Bei Vorfälligkeitsentschädigung immer alles genau prüfen

Wer sich mit dem Gedanken trägt, ein Hypothekendarlehen vorzeitig zu kündigen, muss mit einer Vorfälligkeitsentschädigung rechnen, sofern der Widerrufs-Joker nicht mehr greift oder das Sonderkündigungsrecht nach zehn Jahren infrage kommt. Bei der Berechnung der Entschädigung muss der Kreditgeber aber viele Faktoren in Abzug bringen. Fehlerhafte Berechnungen sind an der Tagesordnung, deshalb sollte man sowohl den Kreditvertrag als auch die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung von einem Experten überprüfen lassen.

Wichtig außerdem: Kümmern Sie sich rechtzeitig um einen neuen Kredit, damit die fällige Kreditsumme des Altvertrags nach der Kündigung auch direkt pünktlich zurückgezahlt werden kann. Wurde bereits eine Vorfälligkeitsentschädigung gezahlt, kann diese auch rückwirkend überprüft und ggf. zurückgefordert werden – abzüglich eventueller Verjährungsfristen. Problematisch ist, dass bei gerichtlichen Auseinandersetzungen die niedrigen Instanzen häufig widersprüchlich über die Vorfälligkeitsentschädigung entscheiden – die verbraucherfreundlichen höchstrichterlichen Urteile der Vergangenheit ermutigen jedoch dazu, notfalls den Instanzenweg zu gehen.


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