Arbeitsrecht Überstunden: Überstundenabgeltung erklärt

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Deutschland gehört zu den Spitzenreitern, wenn es um Überstunden geht. Doch wie sieht es eigentlich arbeitsrechtlich aus? Was ist mit der entsprechenden Abgeltung dieser Mehrarbeit?

Warum Überstunden im Arbeitsrecht geregelt werden müssen

Mehrarbeit scheint in deutschen Unternehmen an der Tagesordnung zu sein. In vielen Betrieben ist es jedoch nicht einfach, die genaue Anzahl der Mehrstunden nachzuvollziehen. Häufig gilt die sogenannte Vertrauensarbeitszeit. Auch wenn das Arbeitszeitgesetz festlegt, dass man auch bei dieser vertraglichen Regelung die Zusatzstunden aufschreiben muss, hält sich nicht jeder Arbeitgeber daran. Dabei ist man dazu verpflichtet, die Arbeitszeitnachweise für eine mindestens zweijährige Frist aufzubewahren.

Die Mehrstunden scheinen ein positives Symbol zu sein, dass die Wirtschaftslage stabil und gesund ist. Wenn die Arbeitnehmer einem zu hohen Druck ausgesetzt sind, führt das zu Stress und zu Folgeerkrankungen. Tatsächlich gibt rund ein Drittel der deutschen Arbeitnehmer an, dass ihr Arbeitspensum zu hoch ist. Das hängt mit der oft nicht ausreichenden Personaldecke zusammen.

Wenn es für Abwesenheitszeiten in den Ferien oder im Krankheitsfall keine Vertretung gibt, macht das die Angelegenheit nicht einfacher. Darum ist es wichtig, die entstehenden Mehrstunden im deutschen Arbeitsrecht fair zu regeln.

Video: Was darf der Chef und was nicht? Top-Thema in ZDF „Volle Kanne“, Sendung vom 06.02.2013

Die Stunden im Arbeitsvertrag festlegen

Die Arbeitnehmer sollten ihren Vertrag genau durchlesen und überprüfen, ob es im Tarifvertrag eine Überstundenregelung gibt. Manchmal greift auch eine Betriebsvereinbarung. Wenn das nicht der Fall ist, gelten die üblichen Regelungen des Arbeitsrechts.

Im allgemeinen Arbeitszeitgesetz ist festgelegt, dass die Arbeitszeit an einem normalen Werktag nicht länger sein darf als acht Stunden. Gegebenenfalls ist eine Ausdehnung von bis zu zehn Arbeitsstunden möglich. Für diese Mehrstunden muss jedoch in den folgenden sechs Monaten ein entsprechender Ausgleich sichergestellt werden, damit die durchschnittliche Arbeitszeit die täglichen acht Stunden nicht überschreitet.

Es gibt laut Arbeitsrecht nur zwei Fälle, in denen der Arbeitgeber von seinen Mitarbeitern Überstunden verlangen darf:

  • Krisen und Notfälle, die die Existenz des Betriebs bedrohen,
  • besonderer betrieblicher Bedarf.

Bei anderen Regelungen, die von dieser Vorschrift abweichen und die Anordnung von Mehrarbeit beinhalten, ist die Vereinbarung eines Interessenausgleichs notwendig. Das bedeutet, dass zwischen den Vertretern von Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein Tarifvertrag oder eine betriebliche Vereinbarung ausgehandelt wird.

Wenn das Arbeitspensum ansteigt und auch noch die Angst vor der Arbeitslosigkeit wächst, scheint es kaum noch einen anderen Weg zu geben, als immer mehr zu arbeiten. (#01)

Wenn das Arbeitspensum ansteigt und auch noch die Angst vor der Arbeitslosigkeit wächst, scheint es kaum noch einen anderen Weg zu geben, als immer mehr zu arbeiten. (#01)

Wenn Überstunden zur Belastung werden

Die Arbeit scheint immer mehr zu werden, trotzdem möchte man loyal bleiben und damit sowohl den Kollegen als auch dem Chef helfen. Wenn das Arbeitspensum ansteigt und auch noch die Angst vor der Arbeitslosigkeit wächst, scheint es kaum noch einen anderen Weg zu geben, als immer mehr zu arbeiten. Eine Besserung ist kaum in Sicht, trotzdem spürt man allmählich die Folgen und wünscht sich wieder die ursprüngliche Regelarbeitszeit zurück. In einem solchen Fall sollte man mit den Kollegen und auch mit dem Vorgesetzten sprechen.

Im Gespräch lässt sich klären, ob eventuell die Arbeitsprozesse verschlankt werden können, um die Mehrstunden zu reduzieren. Wenn die anderen Mitarbeiter ebenfalls die Belastung spüren, fällt die Suche nach einer besseren Lösung oft leichter. Auch die Vorgesetzten sollten bei solchen Diskussionen mit einbezogen werden, denn nur wenn die Chefetage mit den Schwierigkeiten vertraut ist, kann sie aktiv an einem Ausgleich oder an der Verbesserung der Situation arbeiten.

Personalengpässe oder saisonale Mehrarbeit sind oft die Ursache für die anfallenden Überstunden. Bei einer langen Stressphase ohne absehbares Ende sollte man auf jeden Fall handeln, bevor sich der gesamte Betrieb an den erhöhten Arbeitsanfall gewöhnt hat und man als Quertreiber gilt, wenn man sich dagegen wehrt. Das Arbeitsrecht gibt einem die Möglichkeit, aktiv etwas gegen die Stresssituation zu unternehmen.

Video: Arbeitsrecht Irrtümer #17 – Überstunden werden immer vergütet | Betriebsrat Video

Fünf Fälle aus dem Arbeitsrecht

Im Magazin Focus-Online-Money wurden im Januar 2017 mehrere Urteile beschrieben, die sich auf die Abgeltung von Mehrstunden beziehen. Dabei fällt auf, dass einige Betriebe mit unzumutbaren Vertragsklauseln arbeiten, die laut Arbeitsrecht nicht wirksam sind. Unbezahlte Mehrarbeit muss jedoch niemand leisten, denn genau dafür gibt es die gesetzlichen Vorschriften. In den folgenden fünf Beispielen erfahren die Leser mehr über die Fälle, die von dem juristischen Expertenteam von anwalt.de zusammengestellt wurden.

  • Fall 1
    Mehrstunden, die laut Dienstplan angewiesen werden, müssen vom Arbeitgeber vergütet werden. Das ist auch dann der Fall, wenn die Mehrstunden im Grunde genommen nicht nötig wären. So entschied das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein in seinem Urteil vom 9. Februar 2016, Az. 1 Sa 321/15.
  • Fall 2
    Vom Landesarbeitsgericht Mainz wurde im November 2015, Az. 5 Sa 342/15, folgendes Urteil entschieden: Ein Arbeitnehmer hat keinerlei Anspruch auf Bezahlung der Mehrstunden, wenn er während der Freistellung zum Abbau dieser Mehrstunden erkrankt und krankgeschrieben wird. Bei diesem Urteil bezieht sich das LAG darauf, dass der Abbau der Überstunden kein Urlaub ist.
    Wer jedoch während des Urlaubs erkrankt, der könne Ersatz beanspruchen.
  • Fall 3
    Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern entschied am 22. Januar 2014, dass Arbeitnehmer auch in dem Fall die Vergütung der Mehrstunden beanspruchen können, wenn keine ausdrückliche Anordnung vom Vorgesetzten vorliegt, sondern nur eine Duldung die Grundlage ist. Allerdings muss der Arbeitgeber darüber informiert sein, dass der betreffende Mitarbeiter Mehrarbeit leistet (Az 2 Sa 180/13).
  • Fall 4
    Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 16.5.2012, Az 5 a ZR 331/11, entschieden, dass bis zu 20 monatliche Mehrstunden mit dem normalen Gehalt abgegolten sind, solange kein entsprechender schriftlicher Arbeitsvertrag vorliegt.
  • Fall 5
    Im Februar 2012 entschied das Arbeitsgericht, dass alle geleisteten Überstunden bezahlt werden müssen, wenn es im Vertrag keine Begrenzung für unbezahlte Überstunden gibt. Lediglich wenn das Basisgehalt sehr hoch ist, geht man davon aus, dass es eine Rechtfertigung für die Überstunden gibt. Bei einem Bruttoeinkommen von 1.800,- EUR gelten die Mehrstunden als nicht abgegolten, während ein monatliches Einkommen von rund 7.000,- EUR unbezahlte Mehrstunden rechtfertigt (Az. 5 a ZR 767/10)

Video: Muss bei Anordnung von Überstunden immer der Betriebsrat informiert werden? | Betriebsrat Video

Die Rechtsgrundlage für Überstunden

Laut Arbeitsrecht sind die Angestellten und Arbeiter in einem Unternehmen nicht grundsätzlich dazu verpflichtet, Mehrstunden abzuleisten. Trotzdem hört man überall von zusätzlichen Arbeitsstunden. Ob das tatsächlich rechtlich in Ordnung ist, lässt sich nur bei einem genaueren Blick auf die Umstände klären.

Die folgenden Regelungen sind möglich:

  • Eine Einzelvereinbarung legt die Zusatzstunden genau fest. Hierbei handelt es sich nicht um eine einseitige Anweisung, sondern um eine einvernehmliche Absprache oder stillschweigende Übereinkunft. Eine schriftliche Formulierung ist nicht nötig.
  • Der Arbeitsvertrag kann eine ausformulierte Überstundenklausel beinhalten, die den Vorgesetzten zu einer einseitigen Anordnung von Mehrstunden berechtigt. Diese Klausel muss eine Maximalgrenze der Überstunden enthalten, damit die Mitarbeiter wissen, womit sie rechnen müssen.
  • Eine Betriebsvereinbarung tritt dann in Kraft, wenn es einen Betriebsrat im Unternehmen gibt. Laut § 87 Abs.1 Nr.3 Betriebsverfassungsgesetz hat dieser Betriebsrat das Recht der Mitbestimmung im Zusammenhang mit Überstunden. Es muss also eine Einigung stattfinden, wenn die betriebsübliche Arbeitszeit verlängert wird. Auch der Mitarbeiter muss dieser Vereinbarung zustimmen.
  • Im Tarifvertrag können laut Arbeitsrecht ebenfalls Regelungen für die Überstunden enthalten sein. Hier geht es um die Voraussetzungen für die Anordnung von Mehrstunden sowie um die Abgeltung.
Die Arbeitszeit der leitenden Angestellten, die in der Chefetage sitzen, wird nicht durch die üblichen Vorschriften im Arbeitsrecht geregelt. (#02)

Die Arbeitszeit der leitenden Angestellten, die in der Chefetage sitzen, wird nicht durch die üblichen Vorschriften im Arbeitsrecht geregelt. (#02)

Mehrstunden in der Führungsebene: Wo das Arbeitsrecht ausgeweitet wird

Die Arbeitszeit der leitenden Angestellten, die in der Chefetage sitzen, wird nicht durch die üblichen Vorschriften im Arbeitsrecht geregelt. Bei dem hohen Gehalt der Führungskräfte ist es eine Selbstverständlichkeit, dass hier nicht so genau auf die Stunden geachtet wird. Hier gilt eine Art stillschweigende Übereinkunft, dass Zusatzstunden abgeleistet werden. Schließlich tragen die leitenden Mitarbeiter eine große Verantwortung und müssen oft noch bis in den Abend mit Geschäftspartnern verhandeln oder andere wichtige Aufgabe erledigen.

Früher gestattete das Bundesarbeitsgericht eine vertragliche Verpflichtung, dass die Führungskräfte ihre gesamte Arbeitskraft dem Unternehmen bereitstellen mussten. Die Urteile jüngeren Datums sind nicht mehr so strikt. Abhängig vom Gehalt und von der Selbstbestimmung wird fallabhängig festgestellt, ob eine Vertragsklausel dieser Art wirksam ist.

Bei den Mitarbeitern auf mittlerer und unterer Ebene sollte immer darauf geachtet werden, dass die Mehrstunden ausgeglichen werden. (#03)

Bei den Mitarbeitern auf mittlerer und unterer Ebene sollte immer darauf geachtet werden, dass die Mehrstunden ausgeglichen werden. (#03)

Das Arbeitsrecht und die Details zum Überstundenausgleich

Bei den Mitarbeitern auf mittlerer und unterer Ebene sollte immer darauf geachtet werden, dass die Mehrstunden ausgeglichen werden. Üblicherweise ist ein Ausgleich durch Freizeit empfehlenswert, doch das ist nicht immer möglich.

Die Vorgesetzten tragen eine Fürsorgepflicht gegenüber ihren Mitarbeitern und müssen in diesem Zusammenhang aufpassen, dass die maximale Wochenarbeitszeit von 48 Stunden nicht überschritten wird. Auch die Einhaltung der Pausenzeiten sollte kontrolliert werden, um Probleme auf beiden Seiten auszuschließen.

In besonderen betrieblichen Notfällen ist eine maximale Wochenarbeitszeit von 60 Stunden erlaubt, doch in diesem Fall schreibt das Arbeitsrecht vor, dass innerhalb der folgenden sechs Monate keine weiteren Überstunden anfallen dürfen.


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